Zukunft

Die psychiatrische Versorgung in Schwaben hat sich in den letzten 175 Jahren stark verändert und verändert sich weiter.

Der Bezirk Schwaben arbeitet mit den anderen bayerischen Bezirken, seinem Kommunalunternehmen Bezirkskliniken Schwaben und weiteren Beteiligten der Versorgungsstruktur daran, die psychiatrische Versorgung in der Fläche über die gesamte Versorgungskette sicherzustellen und im Sinne der betroffenen psychisch kranken Menschen – und gemeinsam mit ihnen – weiterzuentwickeln.


Teilhabe an der Gesellschaft

Wohnortnahe Versorgung und Teilhabe



Das Bundesteilhabegesetz fordert eine gleichberechtigte Teilhabe und bedarfsgerechte Unterstützungsangebote für alle Menschen – auch etwa für Menschen mit psychiatrischem Hilfebedarf.

Dies ist gleichermaßen Ziel und Weg des Teilhabenetzwerks, mit dem der Bezirk Schwaben die Versorgungsstruktur weiterentwickelt. Modellregion sind hier die Landkreise Günzburg und Neu-Ulm, nach und nach soll das Konzept auf ganz Schwaben ausgeweitet werden.

Psychiatrie-Erfahrung als Chance



Bereits seit über 10 Jahren können sich Menschen mit Psychiatrie-Erfahrung im Programm "EX-IN" des Bezirks und seiner Bezirkskliniken Schwaben zu Genesungsbegleitungen qualifizieren lassen.

Davon profitieren nicht nur die Menschen, die sie bei der Genesung unterstützen, sondern auch die Genesungsbegleitungen selbst. Gleichzeitig soll das Programm einen Beitrag leisten, Psychiatrie-Erfahrung als Chance zu betrachten.

Straßenumfrage zum Thema Stigma


Forschungsprojekt zur Anti-Stigma-Prävention


An den Bezirkskrankenhäusern Günzburg und Augsburg wird unter anderem geforscht, inwiefern und weshalb Menschen mit psychischen Erkrankungen auch heute noch stigmatisiert bzw. diskriminiert werden – mit dem Ziel, die noch vorhandenen gedanklichen Hürden in der Gesellschaft zu überwinden.


Weiterentwicklung durch Forschung

Auch werden neue Behandlungsmethoden erforscht, die die Therapieangebote weiter verbessern. Die Standorte Augsburg und Günzburg der Bezirkskliniken sind bedeutende Bestandteile der Universitätsmedizin Augsburg und Ulm.

In Ulm liegt der Schwerpunkt besonders auf der Versorgungsforschung, also der optimalen Bereitstellung von Therapien für die Menschen. Beispiele:

  • Die Sektion Gerontopsychiatrie befasst sich mit psychischen und neuropsychiatrischen Erkrankungen des Alterns. Hier geht es vor allem um die Beschreibung kognitiver und emotionaler Prozesse bei normalen und gestörten Hirnfunktionen.
  • Die Arbeitsgruppe Suizidprävention erforscht insbesondere bestimmende psychosoziale Faktoren suizidalen Verhaltens. Zudem entwickelt und evaluiert sie Maßnahmen zur Suizidprävention. Die Forschungsprojekte verfolgen dabei das Ziel, die gesellschaftliche Akzeptanz der von Suizidalität betroffenen Menschen sowie derer Angehörigen zu erhöhen.

In Augsburg wird intensiv daran gearbeitet, große Datenmengen zu nutzen, um frühzeitig Rückfälle von psychischen Erkrankungen zu identifizieren. Denn eine wiederkehrende Depression zeigt Veränderungen im Verhalten von Menschen und weist bestimmte Muster auf. Ein weiterer Forschungsbereich betrifft die Umweltmedizin und untersucht Umweltfaktoren, die psychische Erkrankungen beeinflussen können.


Beispiele für Forschungsprojekte der Bezirkskliniken Schwaben

Sportpsychiatrie und –psychotherapie



Sport kann die Motivation stärken und Struktur in den Tag bringen. Die Sportpsychiatrie und -psychotherapie unterstützt deshalb Menschen mit psychischen Erkrankungen, während und nach der Therapie Bewegung in ihren Alltag zu integrieren.

digiBRAVE



Das Projekt digiBRAVE hat das Ziel, die Entwicklung von depressiven Episoden bei Menschen mit schweren somatischen Erkrankungen anhand moderner, digitaler Methoden vorherzusagen, zu verhindern und die Behandlung fördern zu können.

Vor welchen Herausforderungen steht die Psychiatrie in Schwaben?

Der Fachkräftemangel, Veränderungen in der Arbeitswelt sowie die Entwicklung der Bedarfe erfordern einen Transformationsprozess – von der stationären Versorgung in teilstationäre und ambulante flexible Strukturen.

Der Mangel an Fachkräften betrifft alle in den Gesundheitsunternehmen beschäftigten Berufsgruppen, je nach Standort in unterschiedlichem Ausmaß. Bei den Bezirkskliniken in Bayern etwa waren im Jahr 2022 etwa 26.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt, das sind 16.600 Vollkräfte mit einer für den Gesundheitsbereich typisch hohen Teilzeitquote. Damit sind die Kliniken der bayerischen Bezirke einer der größten öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber im Freistaat. In Schwaben arbeiten annähernd 5.000 Menschen bei den Bezirkskliniken. Doch der zum Teil schon jetzt vorherrschende Fachkräftemangel wird sich in den nächsten Jahren verschärfen, wenn die Generation der Babyboomer in den Ruhestand geht.

Der Bezirk und seine Bezirkskliniken tun sehr viel, um dem Trend entgegenzuwirken: Etwa 1.300 junge Menschen werden jährlich in den eigenen Pflegeschulen zu Pflegefachkräften ausgebildet. Die Bezirkskliniken Schwaben betreiben an ihren Standorten in Günzburg, Kaufbeuren und Augsburg insgesamt fünf Berufsfachschulen für Pflege, Logo-, Ergo- und Physiotherapie. In einer eigenen Akademie werden Beschäftigte, aber auch externe Interessierte aus- und weitergebildet. Ähnliche Bemühungen in der Ausbildung verfolgen entsprechend auch die Sozialverbände.

Angesichts des abgegrasten inländischen Fachkräftemarktes ist es zudem zwingend notwendig, Fachkräfte aus dem Ausland anzuwerben und zu halten.

Sowohl bei Auszubildenden als auch bei der Akquise ausländischer Fachkräfte macht sich in dem Kontext auch der Mangel an bezahlbarem Wohnraum bemerkbar. Die Bezirkskliniken Schwaben nehmen deshalb mehrere Millionen Euro in die Hand, um Wohnraum zu schaffen bzw. anzumieten.

In ihren Einrichtungen müssen die Träger mit der Überbürokratisierung kämpfen. Informations-, Nachweis- und Dokumentationspflichten haben mittlerweile ein Ausmaß erreicht, das auf allen Seiten – Kostenträger und Leistungserbringer – weiteren Fachkräftebedarf zur Kontrolle generiert und bindet. Die Folge: Fachpersonal, das dringend am Patienten benötigt würde, wird mit bürokratischen Tätigkeiten gebunden, die keinerlei Mehrwert haben.

Die geplante „Richtlinie über die Ausstattung der stationären Einrichtungen der Psychiatrie und Psychosomatik mit dem für die Behandlung erforderlichen therapeutischen Personal“ (PPP-RL) wird, um es vorsichtig zu formulieren, die Lage nicht gerade erleichtern. Die Inhalte stellen sich aktuell als völlig veraltet und strukturkonservativ im Hinblick auf die Berufsgruppen und deren Aufgabenzuordnung dar. Es drohen Sanktionen in Form von hohen Strafzahlungen, sollten die Mindestvorgaben je nach Fachbereich/Standort nicht eingehalten werden.

Die Richtlinie stellt die psychiatrische Versorgung vor große Herausforderungen:

Wie werden die Gesundheitsunternehmen darauf reagieren? Können sie die hohe und zum Teil zunehmende Zahl an Patientinnen und Patienten (Stichwort: Auswirkungen der Corona-Pandemie) dauerhaft versorgen?
Können die kleineren Standorte erhalten werden?
Wie gelingt der Spagat zwischen Fachkräftemangel, drohenden Strafzahlungen und dem Auftrag, hilfebedürftige psychisch kranke Menschen nicht abzuweisen?
Und vor allem: Wie soll das alles funktionieren, wenn auf der einen Seite die Ausgabenseite (Inflation, stark gestiegene Betriebskosten, die vereinbarten Tariferhöhungen) stetig wächst, auf anderen die Einnahmen nahezu unverändert bleiben?

Krankenhäuser werden nach gesetzlich festgelegten Sätzen honoriert und können nicht wie Wirtschaftsunternehmen einfach Preise erhöhen. Sehr viele Klinikvertreter haben bereits die „Alarmstufe Rot“ ausgerufen, nicht wenigen Häusern droht die Pleite, wenn eine politische Unterstützung ausbleibt.

Reformgedanken zur Vorhaltefinanzierung im Bereich der Fallpauschalen werden deshalb begrüßt.